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AutorenbildJens Krohmer

Kommunikationsregeln bei ADHS



 ADHSler rutschen schnell auf dem Gefühl aus. Sie steigern sich in eine Emotion hinein – ohne es zu wollen. Sie sind nicht bösartig!

Ein Kind, das seine Hausaufgaben oder sein Buch vergessen hat, ist darüber nicht glücklich. Es macht es nicht absichtlich. Gerade in Stresssituationen (z.B. morgendliche Müdigkeit und das Problem, pünktlich den Bus zu erreichen) vergessen ADHSler besonders viel. Das verbessert sich auch nicht durch Strafen.

Ein Kind, das aus dem Fenster schaut, anstatt dem Unterricht zu folgen, macht das ebenfalls nicht „absichtlich“.

Ein unruhiges ADHS-Kind würde auch lieber gerne ruhig auf einem Stuhl sitzen wie die anderen anstatt herumzulaufen und ausgeschimpft zu werden. Aber es kann oft nicht anders.

Wenn ein Lehrer in diesen und ähnlichen Fällen straft, kann es sein, dass er „verbrannt“ ist. Schon der Anblick oder das Denken an die Lehrperson triggert das Kind dann.

Strafen helfen nicht nur nicht, sondern sind bei ADHS kontraproduktiv. ADHSler lernen in der Regel nicht durch Strafen. So kommt es oft zu einer Verhaltensspirale, die in Sozialstunden bei Rektor*in oder zeitweisem, eventuell sogar endgültigem, Schulausschluss münden kann.

Daher ist es im Vorfeld zu vermeiden, dass ADHSler eine Situation als negativ bewerten.



„No Goes“, auf keinen Fall …


Unworte und Unsätze

Die zwei wichtigsten Worte, die im Umgang mit ADHS-Kindern und –Jugendlichen vermieden werden, sind „müssen“ und „sollen“. Sie produzieren so viel Unlust, dass das hintere Aufmerksamkeitssystem ausgeschaltet ist. Der Betroffene hat keinen Zugang mehr zu seinem Erfahrungswissen.

Sollen und Müssen sind Ausschaltknöpfe!

 

Angeknacktes Selbstbewusstsein

Das Selbstbewusstsein von ADHSler*innen ist sowieso schon sehr labil durch die vielen Misserfolgserlebnisse. Deswegen verzichten Sie auf Begriffe und Sätze, die das Selbstwertgefühl verletzen

„Du bist dumm!“,

„Du gehörst nicht auf das Gymnasium“,

„Du bist peinlich/böse!“.

Aber auch: „Wenn Du nur wolltest, könntest Du…“ (alternativ: „Wenn du dir nur mehr Mühe geben würdest“, „Wenn du dich nur mehr anstrengen würdest...“)

Denn ADHS ist keine Entscheidung zum Wollen oder Verweigern!

Verzichten Sie also auf Begriffe und Sätze, die das Selbstwertgefühl verletzen.


Schulmeisterlich

ADHSler reagieren allergisch auf schulmeisterlichen Ton („Habe ich Dir schon 100mal gesagt) und auf Jammern („was soll ich nur mit Dir machen“).

 

Die Warum-Frage

Die „Warum-Frage“ ist ebenfalls kontraproduktiv. Sie bringt nichts, da sie eben nicht ergründen, sondern (negativ) bewerten will.

„Warum hast du das nicht gleich gemacht?“

"Warum machst du nicht...."

Eine sehr beliebte Erklärung in Lehrerkreisen ist:„Der ist ja nur faul“

Sie zeigt aber nur, dass die Lehrperson nichts, aber auch gar nichts über die Hintergründe von ADHS weiß.

 

Meine Mimik

Zu meiner Kommunikation gehören auch meine Mimik und meine Körperhaltung. Ich verzichte darauf, die Stirn zu runzeln, die Augen zu verdrehen, die Backen aufzublasen.

 


Stattdessen …

 

 


Positives Feedback

Stattdessen wird jeder kleine Erfolg registriert und zurückgemeldet.


Kleinstschrittig

Aufgaben werden kleinstschrittig erklärt („Nimm jetzt Deinen Ordner und schlage ihn auf. Nimm einen Stift…“ und visualisiert (Tafelanschrieb: „Aufgabe: Lies Kursbuch, S. 173“).

Denke daran: das Arbeitsgedächtnis arbeitet anders bei ADHS. Komplexe Aufgaben werden nicht so ohne weiteres verstanden.

Übrigens sind auch Nicht-Betroffene darüber dankbar.


Stimme

Die Stimme bleibt immer unaufgeregt und tief, besonders im Konfliktfall (wichtig für Lehrerinnen, die sich angegriffen fühlen – oft rutscht die Stimme nach oben, zusätzlich zur erhöhten Lautstärke).


Distanz gewähren

Wenn ein Kind einen Zornausbruch erleidet, ist es wichtig, dem Kind nicht in die Augen zu schauen („Schau mich jetzt an!“) oder gar anzufassen („Habe ich Dir nicht gesagt…!“) In dem Moment der Erregung ist es nicht zu erreichen.

Die Aufforderung, „Schau mir in die Augen“, beschwichtigt nicht. Es verschärft die Situation. Das Kind/der Jugendliche beruhigt sich irgendwann wieder, von allein. Aber es benötigt Zeit. Hilfreich ist es daher, es aus dem Geschehen herauszubefördern. Hat es sich abgeregt, kommt es auch wieder zurück. Erst dann ist es ansprechbar. Freundlich und bestimmt

Wird eine Aufgabe nicht erfüllt, wiederhole ich sie

freundlich, und, wie gesagt, nicht mit erhobener Stimme. Auch mehrmals, wie eine kaputte Schallplatte:

- „Nimm einen Stift und schreibe von der Tafel ab.“ (keine Reaktion).

- Dann wende ich mich ab, um dem Schüler nicht die Bühne zu geben, vor allem wenn er sie nicht erledigen will und protestiert.

- Noch einmal: „Nimm einen Stift und schreibe von der Tafel ab.“ (keine Reaktion)

- Noch einmal: „Nimm einen Stift und schreibe von der Tafel ab.“ (keine Reaktion)

- Gerne auch fünfmal.

Notfalls unterschreite ich die Individualdistanz kurz, wenn ich etwas einfordere und gehe in seine Nähe. Ich wiederhole noch einmal, wie gesagt, ruhig meinen Satz. Ich bin sparsam in meiner Gestik und vor allem in Sätzen. Weniger ist mehr.

Klopft ein Kind ständig mit dem Stift auf den Tisch, dann reicht eine Geste (z.B. eine ausgestreckte Hand), ein freundlicher Blick oder ein freundlicher Satz. Im Wiederholungsfall handle ich genauso – ohne Strafandrohung.



Foto: privat Jens Krohmer 04/2024

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